Sachsens Haushaltsentwurf setzt falsche Prioritäten:
Naturschutz steht auf der Kippe
Der Entwurf für den sächsischen Doppelhaushalt 2025/26 von CDU und SPD setzt deutliche Prioritäten – allerdings in die falsche Richtung. Naturschutzrechtliche Teilhabe und konkreter Schutz unserer Lebensräume wird hintenangestellt, um stattdessen Partikularinteressen, die dem Schutz unserer wertvollen Natur- und Kulturlandschaft entgegenstehen, an erste Stelle zu platzieren. Sächsische Naturschutzverbände fordern daher Nachbesserungen – für Natur und Demokratie.
Demokratische Teilhabe wird gekürzt – aber das ist nicht alles
Die Kürzung der Förderung für die naturschutzrechtliche Teilhabe (Stellungnahmenarbeit) der anerkannten Naturschutzvereinigungen um 20 % wirft lange Schatten. Darauf hatten die Verbände bereits in einem offenen Brief aufmerksam gemacht. Jedoch ist das nicht die einzige Kürzung, mit der der Naturschutz auskommen soll.
„Natürliches Erbe“ bewahren: Fördertopf leer, Zukunft ungewiss
Gravierend sind auch die Folgen für den praktischen Naturschutz. Die Förderrichtlinie „Natürliches Erbe“ (NE) ist das zentrale Förderinstrument in Sachsen; dennoch ist ihr Etat bereits mit den bei den Bewilligungsbehörden vorliegenden Anträgen ausgeschöpft, sodass der verhängte Antragsstopp bis 2027 anzuhalten droht. „Dabei haben aktuell noch viele Vereine an aufwendigen Projekten gearbeitet. Projekte mit einem Umfang von mehr als 13 Mio EURO verstauben nun in der Schublade und können keine Wirkung in der Natur entfalten“, warnt Thomas Westphalen, Vorsitzender des Landesverein Sächsischer Heimatschutz. „Wir brauchen nun ein klares Vorgehen und eine sinnvolle Priorisierung nach naturschutzfachlicher Bedeutung, um besonders wertvolle Projekte umzusetzen.“
Engagierte Landwirte, die dem gesellschaftlichen Auftrag einer multifunktionalen Landwirtschaft nachkommen wollen, stehen nun ebenfalls im Regen, denn es gibt durch den Antragsstopp auch keine NE-Fördergelder mehr für Hecken zum Biotopverbund in der Agrarlandschaft, für die Sanierung von Streuobstwiesen oder die Anlage und Sanierung von Kleingewässern für Amphibien. Und auch die Förderung insektenschonender Mähtechnik für die Grünlandflächen entfällt. So kann eine notwendige Agrarwende nicht gelingen.
Die Naturschutzarbeit zahlreicher Akteure droht nun mangels Finanzierung zu verdorren. Für die Verbände ist klar: Um Sachsens wertvolle Lebensräume langfristig zu schützen, braucht es zusätzliche Mittel für die NE-Richtlinie. Die notwendige Landeskofinanzierung muss verbindlich gesichert und vor allem auch die rein landesfinanzierten Maßnahmen angemessen ausgestattet werden. Nur so können jahrelange Bemühungen im Bereich des Arten- und Biotopschutzes gesichert und ausgebaut werden. Denn ohne diese Förderung steht der praktische Naturschutz in Sachsen bis Ende 2027 still. Es kann nur das umgesetzt werden, was bereits beantragt wurde. Die essenzielle Weiterführung wertvoller Projekte ist nicht möglich.
Keine Gelder für kommunalen Gewässerschutz
Außerdem werden auch Bemühungen des kommunalen Gewässerschutz ausgebremst. Die Umsetzung der EU‑Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) war bereits auf einem guten Weg: Zahlreiche Projekte haben Kommunen befähigt, ihre Gewässer naturnah zu unterhalten. Die Investitionen zeigen ihre Wirkung. Nun sieht der aktuelle Haushalt jedoch vor, den Landesanteil am Gewässerlastenausgleich – jährlich 5 Mio EURO – ersatzlos zu streichen. „Damit verlieren die Kommunen Planungssicherheit, das Vertrauen in den Freistaat schwindet – und Sachsen riskiert teure EU‑Strafzahlungen, wenn die WRRL‑Ziele absehbar verfehlt werden“, erklärt Christina Kretzschmar, Geschäftsführerin des Deutschen Verbands für Landschaftspflege. „Das wirft die Bemühungen der Kommunen zurück. Das Land muss die fünf Millionen zwingend im Haushalt belassen, um Naturschutz, Hochwasserschutz und WRRL- Ziele gleichzeitig zu erreichen.“
Rassekaninchen vor Naturschutz?
Diese Kürzungen sind besonders irritierend, wenn man sich die Prioritäten des Umweltministeriums ansieht. Für u. a. den Weinbau, Rassekaninchen, Geflügelzucht und die Erhaltung von Azaleen und Kamelien werden zusätzliche Förderungen bzw. Zuschüsse im Wert von ca. 500.000.-€ eingeplant. „Wir begrüßen, dass sich der Freistaat zur stärkeren Unterstützung von Vereinen durchringen konnte, um ihnen eine langfristige Planung und Sicherheit zu gewährleisten. Allerdings erschließen sich uns die Auswahl nicht“, Maria Vlaic, Vorsitzende des NABU Sachsen kritisiert: „Das Ungleichgewicht in den institutionellen Förderungen ist nicht nachvollziehbar. Angesichts der Haushaltslage und der globalen Herausforderungen bzgl. Artensterben und Klimakrise ist es fraglich, ob Rassekaninchen und Geflügelzucht wirklich die richtigen Hebel für die dringend gebrauchte Lösung sind.“
Unwirtschaftlich: Weniger Investitionen in den Klimaschutz
Mit Sorge beobachten wir den fortschreitenden Verlust der Biodiversität auf den Äckern und in Wiesen. Arten‑ und Biotopschutz in der Agrarlandschaft darf kein Lippenbekenntnis sein. Zielführende Agrarumweltmaßnahmen und gezielte Programme müssen ausreichend gefördert werden, um tragfähige Lösungen für Landwirtschaft und Naturschutz zu erzielen.
„Angesichts der Klimakrise ist jeder Euro für den Naturschutz eine Investition in Sicherheit und Wohlstand“, betont Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. „Der vorliegende Haushalt aus dem Wirtschafts- und Energieministerium scheint Natur- und Klimaschutz nun aktiv zu bekämpfen. So wurden die Klimamillionen komplett gestrichen, die Kommunen bei Investitionen im Bereich Klimaschutz, Energiewende und Klimaanpassung zugutekommt und der Klimafonds Sachsen soll in den kommenden zwei Jahren nicht weiter aufgestockt werden.“
Politik muss Prioritäten setzten – auch für Demokratie, Sicherheit und Wohlstand
Mit diesem Haushalt schränkt der Freistaat die demokratische Mitsprache der Zivilgesellschaft ein und entzieht zugleich den praktischen Projekten zur Rettung von Arten und Lebensräumen die finanzielle Grundlage. Er sendet ein fatales Signal: Naturschutz ist verzichtbar, solange er nicht unmittelbar Profit verspricht. Wir brauchen das Gegenteil – eine verlässliche Finanzierung, die Expertise, Ehrenamt und Zukunftssicherung gleichermaßen stärkt. Dafür bleiben die Naturschutzverbände weiterhin offen für einen konstruktiven Austausch.
Hintergrund:
Die Bedeutung der Naturschutzverbände im demokratischen Gesellschaftsgefüge kann nicht genug betont werden: Expertise, konstruktive Mitwirkung der Verbände bei der Suche nach Lösungen, die im Sinne der Nachhaltigkeit ökonomische, ökologische und soziale Aspekte verbinden. Die Naturschutzverbände (bzw. -vereinigungen) bringen durch ihr Engagement für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen gesamtgesellschaftliche Interessen zum Ausdruck.
In einem offenen Brief haben alle sächsischen Naturschutzverbände bereits auf die Kürzungen der Stellungnahmenarbeit aufmerksam gemacht. Die geplante Reduzierung der institutionellen Förderung um 20 % trifft ausgerechnet jene Personalbudgets, die den Verbänden eine professionelle, rechtssichere Stellungnahmenarbeit erst ermöglichen. Bricht diese Finanzierung weg, drohen rechtliche Unsicherheiten, Verzögerungen bei Infrastruktur- und Bauprojekten, Rückschritte im Artenschutz und eine empfindliche Schwächung des zivilgesellschaftlichen Engagements.
BUND, NABU und der Landesverein des sächsischen Heimatschutzes sind anerkannte Naturschutzverbände und setzen sich gemeinsam mit Ehrenamtlichen in ganz Sachsen für den Schutz der Natur und naturschutzfachliche Interessen ein. Freistaatliche Förderungen sind für die Verbände für die Planung und Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen und die Wahrung der naturschutzrechtlichen Beteiligung essenziell.
Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL)- Landesverband Sachsen ist der Dachverband der sächsischen Landschaftspflegeverbände. In ihnen arbeiten Naturschutz, Landwirtschaft und Kommunalpolitik gleichberechtigt zusammen, er ist kein anerkannter Naturschutzverband. In der Kritik an den aktuellen Kürzungen im Naturschutzetat und den Sorgen um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen stehen alle Verbände eng zusammen.
Für Gespräche und Presseanfragen stehen zur Verfügung:
BUND Landesverband Sachsen e. V.
Helen Garber, Geschäftsführerin
Helen Garber, Geschäftsführerin
NABU Landesverband Sachsen e. V.
Maria Vlaic, Landesvorsitzende
Maria Vlaic, Landesvorsitzende
Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V.
Thomas Westphalen, Vorsitzender
Thomas Westphalen, Vorsitzender
Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL)- Landesverband Sachsen e.V.
Christina Kretzschmar, Geschäftsführerin
Christina Kretzschmar, Geschäftsführerin