Die runde Pappel zu Babisnau

Foto: Die Babisnauer Pappel (rechts) und die Bismarck-Eiche (links), gesehen aus Westen, Foto: Veronica Teicher
 
Exkursion zur Babisnauer Pappel und Fest am 23.9.2023
Eine Medaille für die „Pappelväter“ Der Landesverein Sächsische Heimatschutz e.V. ehrte mit einem Festtag
die Regionalgruppe Goldene Höhe für ihr stetes und herausragendes Engagement für die ehrwürdige Landmarke
 
Von Matthias Schildbach
 
Am 23. September 2023 hatte der Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V., in dessen Obhut sich der Baum befindet, zum „Pappelfest“ aufgerufen. Grund war die längst überfällige Einweihung des neu erstandenen Aussichtsgerüstes.
 
Während am Platz der Pappel noch vorbereitet wurde, lud der Landesverein zu einer archäologischen Wanderung ein, die bei Dresden-Kauscha begann. An Teilen des „Archaeo-Pfades-Dresden“ entlang, einem durch die Landeshauptstadt Dresden und dem Landesamt für Archäologie geschaffenen kulturhistorischen Wanderweg, der die besonderen Fundstellen zu Archäologie und Geschichte begleitet, wurden die knapp 30 Teilnehmer vom Vorsitzenden des Landesvereins, Herrn Dr. Thomas Westphalen, geführt. Der Vorsitzende der Archäologischen Gesellschaft in Sachsen e.V. war maßgeblich an der Entstehung des Archeo-Pfades beteiligt.
 
Wie reich die südlichen Anhöhen an menschlichen kulturhistorischen Spuren des Elbtales bis hin zur Babisnauer Pappel sind, duften die Teilnehmer auf einer Route von Kauscha über Sobrigau, Gausitritz und Babisnau erfahren.Von der Aunjetitzer Kultur bis hin zu Ereignissen des Zweiten Weltkrieges gab es zu berichten, eine Zeitspanne von über 4.000 Jahren, in der Menschen und ihr Handeln die Region nachhaltig geprägt haben. Das Ziel der Wandertour markierte jedoch den eigentlichen Zweck des Zusammentreffens: die Babisnauer Pappel.
 
Legendäre Landmarke
 
Stattliche 215 Jahre trotzt sie inzwischen Wind und Wetter: die Babisnauer Pappel. Johann Gottlob Beck, der „Pappelvater“, der den Baum 1808 einst pflanzte, war ein typischer Bauernsohn seiner Zeit. Aufgewachsen auf dem elterlichen Gut in Babisnau, gehörte die Arbeit rund um die Uhr zum alltäglichen Sein. 1770 kam er in einem furchtbaren Hungerjahr zur Welt. Johann Gottlob sollte noch vier weitere Geschwister bekommen. Von der Geburt des achten Kindes 1783 erholte sich die Mutter nicht mehr, einen Tag später starb sie. Die großen Schwestern wurden zum Mutterersatz. Alle mussten mit anpacken.
 
Der Vater starb 1794, da war Johann Gottlob 24 Jahre alt. Er war bereit, den Hof zu übernehmen. Was fehlte, war eine Frau. Es sollte eine Weile dauern, bis er in der zehn Jahre jüngeren Johanna Christiana Pellmann aus Possendorf eine treue Frau fürs Leben und die geeignete Mutter seiner sieben Kinder fand. Die Hochzeit wurde mit einem großen Fest am 15. Mai 1800 auf dem väterlichen Hof gefeiert.
 
Besonders die großen Flächen auf dem Zughübel, dem mächtigen Höhenzug zwischen Babisnau nach Possendorf hin, boten Fläche und akzeptablen Boden. Nur eines führte wohl immer wieder zu Unstimmigkeiten mit den Nachbarn: Inmitten dieser riesigen Fläche ließ sich die Grenze zwischen den Babisnauer und Golberoder Feldern nicht genau ausmachen. Es ist unbekannt, ob Konflikte den Anlass zu einer Grenzmarkierung gaben oder der Beschluss einvernehmlich mit dem Golberoder Nachbarn geschlossen wurde. Fest steht, dass es einer dauerhaften und möglichst kostenfreien Markierung der Grenze zwischen den Gemeinden bedurfte.
 
Irgendwo in der näheren Umgebung wusste Beck von gut wachsenden Pappeln. Er pflanzte sie am heutigen Standort ein und sicher war ein Golberoder Nachbar zugegen, damit die Grenze um keinen Fuß, keine Elle verschoben würde. Beck war nicht nur Bauer, sondern auch der Richter des Dorfes Babisnau, er handelte somit in doppelter Befugnis.
 
Johann Gottlob Beck starb am 30. August 1829 daheim auf seinem Hof. Ihn übernahm sein fünftes Kind, nach vier Töchtern der erste Junge, stolz benannt nach dem Vater: Johann Gottlob, zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt. Er führt das selbe harte Leben des Landmannes. Als er nicht mehr konnte und der Erbe ausblieb, verkaufte er 1872 den väterlichen Hof. Der neue Eigentümer ging pleite, 1877 übernahm Hermann Julius Gießmann, Ökonom in Babisnau. Nach ihm folgten sechs weitere Generationen des Gießmann' schen Bauerngeschlechts.
 
 
Infiziert von der Liebe zum Heimatort
 
Steffen Ruhtz ist „nur eingeheiratet“, sagt er mit einem Lächeln. Seine Frau hat das Gießmann'sche Blut in ihren Adern. Dass er als Dresdner Stadtkind auf dem Land leben würde, davon hatte er immer geträumt. Ruhtz kam 1978 durch die Heirat seiner Petra nach Babisnau, für den gelernten Landmaschinenbauer und späteren Maschinen-bauingenieur das Beste, was ihm je widerfahren ist. Die Liebe zu Babisnau „infizierte“ ihn und wuchs stetig.
 
Dass ihm vor wie nach der Wende die Äußerung begegnete, Babisnau sei ein „Schrumpfdorf“, also weder für Wachstum noch für Investitionen in der Infrastruktur vorgesehen, trieb ihn in den Landesverein Sächsischer Heimatschutz. Er gründete 1992 die Ortsgruppe Babisnau und wurde deren Vorsitzender. Hauptaufgabe der Ortsgruppe war die Sorge und Pflege der Babisnauer Pappel. Die Pappel, sie war stets ein Stück sein Kind, eine besondere Verbindung, wo doch der Hof des Pappelvaters Beck heute der Seine ist. Nicht ohne Stolz zeigt er eine Inschrift an der Fassade seines Hofes: „JGB 1803“, das eindeutige Indiz auf den Pappelvater. Die Babisnauer Ortgruppe ging dann später in der im benachbarten Bannewitz ansässigen Regionalgruppe Goldene Höhe auf.
 
Becks Vermächtnis
 
Ein Stück weit schließt sich der Kreis nun wieder an diesem 23. September auf dem Zughübel. Da, wo einst eine zarte Pappel gepflanzt wurde, treffen sich an diesem Tag mehr als 70 Menschen. Grund ist die Einweihung des neuen Aussichtsgerüstes, das weitgehend durch Spenden finanziert, wieder neu entstanden ist. Besonders die umtriebige Regionalgruppe Goldene Höhe des Landesvereins Sächsische Heimatschutz hat sich verdient gemacht um sie. Wohl keine Teilgruppe des Landesvereins ist derartig umtriebig und aktiv wie die Bannewitzer. Ein Glück für die Gemeinde, die zu pflegenden Objekte – allen voran die Babisnauer Pappel. Sie alle sind gekommen: Heiko Wersig, der Bürgermeister von Bannewitz, Prof Dr. Hans-Jürgen Hardtke, langjähriger Vorsitzender des Landesvereins, Dr. Thomas Westphalen, der jetzige Amtsinhaber, Steffen Ruhtz und die vielen Pappelväter und -m+ütter, für die die Pappel eben nicht nur ein Baum ist. Anschließend gibt es noch Kuchen und Getränke, und reichlich Stoff für Gespräche.
 
Und wie geht es ihr heute, der Pappel? Markant ist, dass man von weitem gar nicht die Pappel selbst sieht, sonder die Bismarck-Eiche, die direkt neben ihr steht und sich immer mehr Raum verschafft. Die Pappel hat ihren größten Auswuchs wohl vor etwa siebzig Jahren erlebt, seitdem wird sie, bedingt durch ihr Alter immer weniger. Dennoch, der 2007 letztmalig gemessene Stammumfang betrug stattliche 5,13 Meter.
 
Stürme, Pilzbefall und Verschnittmaßnahmen setzten ihr in den letzten Jahrzehnten arg zu. Größtes Problem allen voran: die Dummheit der Menschen, die Respektlosigkeit und Aggressivität einem Baum und dem Ehrenamt der Menschen gegenüber. Immer wieder wurden Pappel, Hecken, Aussichtsgerüst und der steinerne Tisch Opfer von Übergriffen. Die 2006 ausgepflanzte „neue Pappel“, ein mühsam aufgezogener Reißer, der von der Altpappel abstammt, wurde auf anderthalb Meter Länge seiner Rinde entledigt. Einfach abgeschnitten, abgehackt, abgerissen. Das macht fassungslos. Mitglieder der Regionalgruppe haben den jungen Baum verarztet, ihn gewachst, verbunden und mit einer Schutzschicht versehen. Und ganz vorn dabei: Steffen Ruhtz, der Pappelvater der Gegenwart.
 
Für ihr Engagement wurde die Regionalgruppe Goldene Höhe am Sonnabend durch ihren Vereinsvorsitzenden ausgezeichnet. Sie bekam die Ehrenmedaille des Landesvereins für ihre Verdienste um die sächsische Heimat, die höchste Auszeichnung, die der Landesverein zu vergeben hat.  Elke Schleife, die Vorsitzende der Regionalgruppe Goldene Höhe, nahm sie stellvertretend entgegen.
 
Johann Gottlob Beck hätte wohl nie gedacht, dass noch 250 Jahre nach seiner Geburt sein Name bekannt und mit wohlwollender Dankbarkeit genannt werden würde. Mit einer einfachen Tat, aus simplen Gründen hat er eine einmalige, wundervolle Verschönerung unserer Heimat hinterlassen, die Wanderer, Botaniker, Geschichtsinteressierte, Heimatverbundene wie Gäste gleichsam fasziniert: die Babisnauer Pappel.
Zur Geschichte der Babisnauer Pappel

Die Babisnauer Pappel ist eine weithin sichtbare Landmarke, ein beliebtes Wanderziel, wunderschöner Ausichtspunkt und eines der bedeutendsten Naturdenkmale im Süden Dresdens. Sie steht auf dem ansonsten kahlen Zughübel an der Grenze zwischen den Gemeinden Bannewitz, Ortsteil Golberode, und Kreischa, Gemeindeteil Babisnau. Die Regionalgruppe „Goldene Höhe” pflegt den Baum und sein unmittelbares Umland gemeinsam mit der Ortsgruppe Babisnau im Landesverein Sächsischer Heimatschutz und dem Heimat- und Fremdenverkehrsverein Kreischa.

Eigentlich sind es zwei Bäume, die aus der Ferne als eine Silhouette wahrgenommen werden. Die Bismarck-Eiche hat fast die Größe der Pappel und verschmilzt mit ihr. Und ein weiteres Bäumchen, eine Nachpflanzung, ist 2006 dazu gekommen.

Die Babisnauer Pappel – eine Schwarzpappel – ist auch eine botanische Rarität. Von dieser Art gibt es in Sachsen weniger als 200 Exemplare. Unser Baum ist über 200 Jahre alt. Er hat einen Stammumfang von über 5 m, eine Höhe von gegenwärtig 17 m und er besticht durch sein knorriges, vom Wind zerzaustes Aussehen.

Zur Geschichte:
1808   Der Babisnauer Bauer Johann Gottlob Beck pflanzt die Pappel am Feldrand.  
1866   Im Krieg gegen Preussen bauen sächsische Pioniere eine Beobachtungsplattform in den Baum.  
1884   Der Nachfolger Becks, Bauer Gießmann, will die Pappel fällen. Um sie erhalten zu können, kauft der Gebirgsverein für die Sächsisch-Böhmische Schweiz den Baum und pachtet das dazugehörige Land. Fünf Jahre später kauft der Verein das Land, auf dem der Baum steht.  
1885   Das erste hölzerne Aussichtsgerüst für Wanderer wird gebaut. Es wird 1922 erneuert.  
1890   Die Bismarck-Eiche wird gepflanzt.  
1937   Die Pappel wird als Naturdenkmal unter staatlichen Schutz gestellt.  
1963   Freitaler Heimatfreunde errichten in Eigenleistung eine neue, stählerne Aussichtsplattform.  
1996   Der Landesverein Sächsischer Heimatschutz erwirbt die Pappel.  
1999   Die jetzige Aussichtsplattform wird errichtet.  
2006   Eine 13-jährige Schwarzpappel wird von Vereinsmitgliedern gepflanzt. Sie war vom Vorsitzenden der Ortsgruppe Babisnau, Herrn Ruhtz, aus einem Steckling des alten Baums gezogen worden.  

200-Jahr-Feier der Pappel am 16. August 2008, Foto: Herr LöschDie Ausstellung zum 200. Geburtstag der Babisnauer Pappel im Dreiseithof der Familie Ruhtz in Babisnau, dem ehemaligen Beck´schen Hof.Foto: Herr Lösch

Bild links:200-Jahr-Feier der Pappel am 16. August 2008, Foto: Herr Lösch, Bild rechts: Die Ausstellung zum 200. Geburtstag der Babisnauer Pappel im Dreiseithof der Familie Ruhtz in Babisnau, dem ehemaligen Beck´schen Hof.Foto: Herr Lösch

2008   Am 16. August feiern mehr als 500 Besucher den 200. „Geburtstag“ der Pappel. Im Dreiseithof der Familie Ruhtz in Babisnau, dem ehemaligen Beck´schen Hof öffnet eine temporäre Ausstellung über den Baum.

Der steinerne Tisch unter der Bismarck-Eiche, im Vordergrund der Pappelstamm. Foto: Veronica TeicherInschrift an der Sandsteinplatte des Tisch in Erinnerung an die großzügige Spenderfamilie. Foto: Veronica Teicher

Bild links: Der steinerne Tisch unter der Bismarck-Eiche, im Vordergrund der Pappelstamm. Foto: Veronica Teicher
Bild rechts: Inschrift an der Sandsteinplatte des Tisch in Erinnerung an die großzügige Spenderfamilie. Foto: Veronica Teicher

2009   Ein steinerner Tisch und Bänke wurden – gesponsert von einer Dresdner Spenderfamilie – als Imbissplatz für Wanderer aufgestellt und am Himmelfahrtstag, den 21. Mai, mit einem Festakt eingeweiht.  

Zu den jährlichen Pflanz- und Pflegeaktionen der Regionalgruppe wird das Umfeld der Pappel regelmäßig gepflegt und von Abfall gesäubert. Zwischenzeitlich war die steinerne Tischplatte von Vandalen beschädigt worden und musste repariert werden.

(Stand Januar 2017)