Orte. Häuser. Menschen. Ländliche Baukultur zwischen Gefährdung und neuem Bewusstsein.

Wie erfindet sich ein Dorf neu, das eigentlich dem Braunkohlentagebau weichen sollte? Das war eines der Themen einer Baukultur-Tagung des Denkmalnetzes Sachsen in Pödelwitz (Südraum Leipzig) am 21. Oktober. Der Fokus des Tages lag auf der Baukultur in ländlichen Räumen zwischen Gefährdung und neuem Bewusstsein. Der Tagungsplan war gespickt mit Beiträgen, die das Thema inspirierend und vielfältig beleuchteten und zu einem reichen Austausch beitrugen. Die Tagung startete in Pödelwitz mit einer Exkursion, gestaltet durch den Verein „Pödelwitz hat Zukunft“ (www.poedelwitz.de). Fast einem „gallischen Dorf“ gleich, setzten sich die wenigen Menschen, die nach der Entvölkerung des Ortes blieben und an ihr Dorf glaubten, mit unglaublich persönlichem Einsatz für den Erhalt von Pödelwitz ein. Der Widerstand trug maßgeblich dazu bei, dass der Erhalt des Ortes im Koalitionsvertrag des Freistaates Sachsen 2019 verankert wurde. Deutschlandweit bekannt wurde das Dorf ergänzend zum Widerstand durch die aktive Unterstützung und das Agieren einer Zahl junger Menschen, die u.a. 2019 das 2. Klimacamp in Pödelwitz organisierten. Es geht um eine Vision, die Hoffnung für das Potenzial ländlicher Räume gibt – eine Wiederbelebung des Ortes unter den Prämissen einer sozialen und ökologischen Dorfentwicklung! Utopie oder greifbare Zukunft? Noch sind die Rahmenbedingungen für Pödelwitz schwierig - 80 Prozent des Dorfes befinden sich im Eigentum des Braunkohleunternehmens, die Mühlen politischer Unterstützung mahlen langsam. Leerstand und drohender Verfall nagen an der Bausubstanz, darunter eine Reihe von denkmalgeschützten Häusern. Fast wirkte es wie ein Déjà-vu, denkt man bspw. an Dreiskau-Muckern (Mitglied in der IG Sachsens Schönste Dörfer und Landstädte), welches 1992 knapp der Braunkohle entkam und inzwischen ein wunderbarer Ort ist. Und dennoch steht Pödelwitz in einer anderen Zeit an der Schwelle zur Zukunft, die aktuellste und gesellschaftlich notwendige Themen in eine Dorfentwicklung integrieren kann und somit Leuchtturm werden könnte.
 
Beiträge zur Zukunft unserer Dörfer und zu Schätzen ländlicher Bausubstanz, die in Konkurrenz zu schnell hochgezogenen EFH-Siedlungen im Speckgürtel von Städten aktuell leider fast in der Versenkung landen, spannten den Bogen über den Tag hinweg. Es war eine Konferenz, die einlud, sich wieder mal mehr ins Bewusstsein zu rufen, dass existente Substanz und Gebäude, denkt man ökologisches Bauen, ohne das Rad neu erfinden zu müssen, vorhanden sind. Wie wertvoll ist der Baustoff Lehm? Wie wunderbar lässt sich damit arbeiten und von einem gesundem Raumklima und Langlebigkeit profitieren? Ist uns klar, dass Altsubstanz Teil der Entwicklungsgeschichte ist? Oder wollen wir uns damit zufriedengeben, dass unsere Enkel in Jahren das quadratisch praktische Vorstadt-EFH mit charakterloser Optik, Doppelgarage und Pflasterterasse als baukulturelles Erbe betrachten oder gar nicht mehr über echte Baukultur nachgedacht wird? Hervorgehoben sei auch das Engagement des Vereins Altenburger Bauernhöfe e.V. (www.altenburger-bauernhoefe.de), die ehrenamtlich eine Bauernhofvermittlungsbörse unterhalten und schwer vermittelbaren Objekte mit neuen technischen Möglichkeiten (Rendering) eine Zukunftsperspektive einhauchen, auf dass Interessenten zum Erhalt und Wiederaufbau gefunden werden mögen. Sich zugunsten des Erhalts der Baukultur und eines neuen Denkens von Leben in ländlichen Räumen zu vernetzen, ist ein gesellschaftlich wichtiger Schritt, um dem Leben auf dem Land eine lohnenswerte Zukunft zu geben. Und für die „Füchse der Baukultur“ gab es noch eine besondere Verknüpfung, die regelrecht zu einer Sachsen übergreifenden Zusammenarbeit einlädt – das Umgebinde. Eine Bauweise, die nicht nur klassisch in der Oberlausitz zu finden ist, sondern auch in Westsachsen und im Vogtland.
 
Fotorechte DN, Nora Ruland & Andreas Krause

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